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Die soziale Isolierung von Seniorinnen und Senioren findet sowohl schleichend, wie auch in Schüben statt und führt - wenn dagegen nichts unternommen wird - zur unerträglichen Einsamkeit.

Die großen Sprünge sind Verlust des Arbeitsumfeldes, Ausziehen der Kinder aus dem gemeinsamen Haushalt, möglicherweise Verlust des geliebten Haustieres, Veränderungen der Wohnumgebung, eventuell Scheidung und der Tod des Partners. Dann kommen noch krankheitsbedingte Vorfälle dazu, wie ein Sturz, ein Schlaganfall oder eine Krebserkrankung, die ebenfalls isolieren.

Themenübersicht

Die eigene Wohnung, das eigene Haus als Basis

Schutz vor Schlüsseldiensten

Teilen von Gütern, Mitteln und Verantwortlichkeiten

Gemeinsame, wechselseitige Dienstleistungen

Gemeinsame Interessen und Weiterbildung

Gemeinsame Aktivitäten und Hobbys

Elektronische Netzwerke

Integration in Soziale Netze

Integration als allgemeine und spezielle Aufgabe

Konkrete Beispiele

Wie erreicht man Senioren, die Unterstützung brauchen?

Eigenschaften Sozialer Senioren Netzwerke

Wie können Senioren selbst die Integration in Soziale Netze unterstützen?

Zu den schleichenden Veränderungen zählen die nachlassenden Möglichkeiten zum Reisen, Ehrenämter wahrzunehmen, die täglichen Besorgungen außer Haus zu erledigen und der Verlust von anderen Möglichkeiten, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen und dort Kontakte zu schließen oder zu pflegen. Das Schließen eines nahen Geschäftes kann dazu gehören, aber auch Veränderungen im Freundeskreis. Wenn zum Beispiel in einem langjährigen Freundeskreis ein Mitglied dement wird, dann hat das dramatische Auswirkungen für alle. Vereinbarungen können dann nicht mehr getroffen und eingehalten werden und selbst langjährige Freundschaften werden dann zu anstrengend und lösen sich auf.

Ein weiteres Problem sind die Veränderungen in der Nachbarschaft. Langjährige Nachbarn, zu denen man ein Vertrauensverhältnis aufbauen konnte, sterben oder ziehen weg oder man kommt selbst durch den Umzug in eine seniorenfreundlichere Wohnung in eine neue Umgebung und ist dort vorerst auch wieder isoliert.

Von den Medien geschürt, kommt dann noch eine manchmal übertriebene Angst dazu, Menschen in die eigene Wohnung zu lassen. Vorsicht ist sicherlich angebracht, aber wenn sie dazu führt, dass niemand mehr Zutritt zur Wohnung hat, dann können die Folgen schwerwiegend werden.

Foto von Otto Buchegger

Die Konsequenzen einer Isolation sind meist ein dramatischer Verlust an Lebensqualität. Depressionen können eine Folge sein und die Hilflosigkeit in Notsituationen kann sogar zu einem vermeidbaren, frühen Tod führen. Zu den subtilen Veränderungen gehören das Aufhören zu lernen, weil es keine neuen Impulse und Beispiele, die man nachmachen könnte, mehr gibt. Wie wir von der Geragogik wissen, sind für Motivation, Lernen, Disziplin und Belohnung soziale Kontakte unerläßlich. Auch ein dramatischer Mangel an Bewegung kann die Folge von Isolation sein.

Alle diese Fakten sind für mich ein Grund doch an dieser Stelle (nochmals) Gedanken zusammenzufassen, wie man der Isolation von deutschen Senioren und Seniorinnen effektiver entgegensteuern kann. Ich sage deshalb "nochmals", weil sich dieses zentrale Thema selbstverständlich auch durch viele andere Beiträge auf der Seniorenfreundlich-Präsenz zieht.

Die Lösung, die hier konsequent angestrebt wird, sind soziale Netze und zwar auf allen möglichen Kanälen, wie auch der Abbau anderer Faktoren, die zur Isolation führen. Da einiges noch nicht vorhanden ist, werden auch Vorschläge gemacht, wie man auf diesem Gebiet Abhilfe schaffen kann.

Ich muss hier manche wichtige Bereiche des Altwerdens, wie dauerhafte Pflege, ausschließen. Für sie wird es spezielle Lösungen geben müssen, weil normale soziale Netze diese Aufgabe nicht bewältigen können. Aber die überwiegende Seniorenpopulation besteht nicht aus Pflegefällen, sondern aus aktiven Menschen, die einfach besser mit den Gegebenheiten der fehlenden Kontakte auskommen wollen.

Meine Modellvorstellungen sind die Großfamilien (die es bei uns nicht mehr gibt und auch auf absehbare Zeit nicht geben wird), die ideale dörfliche Gemeinschaft (die wahrscheinlich nur in Heimatromanen existiert) und auch bewährte Wohnformen von Singles, von Stiften bis zu Klöstern. Eine weitere Annahme ist, dass Menschen möglichst lange in ihrem gewohnten Umfeld wohnen bleiben können. Denn die Praxis zeigt, dass vielen von ihnen doch nicht mehr flexibel genug sind, Veränderungen (und sind es auch Verbesserungen) anzustreben.


Die eigene Wohnung, das eigene Haus als Basis

Soll dieses wichtige Refugium soziale Netze unterstützen, dann darf es keine unerreichbare Festung sein, sondern muss zulassen, dass auch andere es erreichen und besuchen können.

Der wichtigste Grund, warum sich Menschen einkapseln, ist meist nicht die Angst vor einem körperlichen Übergriff, sondern dass sie ausgeraubt oder bestohlen werden und dabei zu Schaden kommen. Da heute nahezu jeder ein Bankkonto führen kann, muss auch kein größerer Betrag an Bargeld in einer Wohnung mehr aufbewahrt werden. Damit ist schon eine große Sorge weg.

Auch bei anderen Wertsachen ist es überlegenswert, ob man sie nicht besser verkauft und das Geld sicher anlegt, als sich damit zu belasten. Will man sich nicht von ihnen trennen, dann sollte man sich doch überlegen, ein Bankschließfach zu mieten und sie dort aufzubewahren. Senioren wissen inzwischen, was sie täglich brauchen und können den Seniorenhaushalt stark reduzieren. Für die übrigbleibenden Wertsachen, die man täglich braucht, wie ein Computer, genügt ein verschließbarer Büroschrank, wo man ihn einsperren kann.

Ziel muss sein, dass die Wertsachen einer Wohnung so gesichert sind, dass es kein Problem ist, berechtigte andere Menschen in die Wohnung zu lassen. Dazu gehört auch, dass man die Haustüre von außen aufmachen kann, auch wenn innen ein Schlüssel stecken sollte. Und es gehört auch dazu, dass ein Satz Schlüssel außerhalb der Wohnung vorhanden ist, z.B. bei Nachbarn oder bei den Kindern.

Wer alleine lebt und bei Einladungen unsicher ist, lädt einfach zusätzlich eine Vertrauensperson ein. Geht dies nicht, dann ist es schon hilfreich, z.B. seine Kinder über einen anstehenden Besuch zu informieren, auch das erhöht die Sicherheit.

Es spricht nichts dagegen, so wie die Polizei es empfiehlt, Haus oder Wohnung so zu sichern, dass Kriminelle keine Chance haben, einzudringen. Aber es wäre unvernünftig, deshalb überhaupt niemanden mehr einzulassen. Im Gegenteil, es ist klug, wenn Nachbarn und Freunde über die Details einer Wohnung und den Lebenswandel Bescheid wissen! Nur so können sie in Ausnahmefällen richtig reagieren!

Für die Sicherheit ihres Zuhauses ist die Installation einer Türsprechanlage eine sinnvolle Idee, sofern sie nicht bereits über eine solche verfügen. Mit einer Türsprechanlage lässt sich prüfen, wer bei einem Klingeln vor der Tür steht. Moderne Gegensprechanlagen sind mit Audio- oder auch Videofunktion erhältlich. Dadurch ist eine gefahrlose Kontaktaufnahme möglich, ohne dem Besucher sofort Einlass zu gewähren. Insbesondere die Anlagen mit Videoübertragung können ihnen ein hohes Sicherheitsgefühl geben, da sie direkt sehen können, wer an ihrer Tür klingelt. Wenn die Türsprechanlage mit Türöffner verbunden ist, dann ist es auch möglich, die Tür unmittelbar nach Kontaktaufnahme mit dem Gast zu öffnen.

Die Wohnung ist nur Teil eines Netzwerkes, wenn sie über einen Telefon- und auch Internetanschluss verfügt. Sie verführen zwar auch dazu, das Haus nicht mehr zu verlassen, aber die Vorteile liegen auf der Hand. Sie erlauben nicht nur lokale Kontakte, sondern über Kontakte über Grenzen hinweg. Also sind beide unentbehrlich. Weniger wichtig sind die passiven Medien, wie Radio und Fernsehen, sie bringen im Prinzip zwar Anregungen und Unterhaltung, aber sie verführen doch zu einer ungesunden Passivität.

Unbedingt empfehlen würde ich den Bezug der lokalen Zeitung, nicht nur wegen der Todesanzeigen. Sie erlauben ein Verständnis für die Veränderungen im lokalen Umfeld und ihr Veranstaltungskalender bietet meist gute Anregungen für Außer-Haus-Aktivitäten. Bewährt in diesem Zusammenhang hat sich das Teilen oder die Weitergabe einer Zeitung innerhalb eines Hauses. So sind tägliche kurze Kontakte möglich, auch wenn dabei nicht unbedingt gesprochen wird. So freue ich mich jeden Tag, wenn mir die Nachbarin ihre gelesene Zeitung vor meine Türe legt, und ich weiß damit auch, dass sie heute schon aktiv ist.


Schutz vor Schlüsseldiensten

Zusätzlich zu den lokalen Informationen und vielen Warnungen will ich hier einige einfache Tipps angeben, die das teure Helfen durch Schlüsseldienste überflüssig machen können:
1. Türknauf durch Türklinke ersetzen. Dann muss man halt öfter zusperren, aber es wird schwieriger sich auszusperren.
2. Schlösser einbauen, bei denen man die Tür von außen öffnen kann, auch wenn innen ein Schlüssel steckt (Prioritätsfunktion, BSZ-Funktion oder einfach beidseitig schließbarer Zylinder).
3. Reserveschlüssel beim Nachbarn oder Hausbesitzer in einem versiegelten Umschlag deponieren oder in einer Box im Garten vergraben. Dann kann zwar im Notfall in die Wohnung, aber jeder Missbrauch wird sichtbar.
4. Schlüssel an ein Kettchen legen und an der Hose oder Handtasche festmachen. Dann verliert man sie nicht mehr.


Teilen von Gütern, Mitteln und Verantwortlichkeiten

Das Beispiel mit der Zeitung kann man verallgemeinern und damit sind wir bei einem allgemeinen Konzept des Ressource-Sharing, nämlich dass mehrere sich eine Ressource teilen und somit auch gezwungen sind, Absprachen zu vereinbaren und damit automatisch Kontakte bekommen. In meinem Umfeld sind es ein gemeinsamer Garten, ein gemeinsames Auto und gemeinsame Müllentsorgung, die ein kleines soziales Netzwerk aufrecht erhalten.

Soll es dabei nicht zum Streit oder zu unerwünschten Abhängigkeiten kommen, darf diese Ressource nicht kritisch sein, das heißt nicht unbedingt notwendig für das tägliche Leben sein. Diese Dinge sollte man besser selbst und exklusiv besitzen. In manchen Nachbarschaften sind es z.B. Geräte, die man alleine selten nutzt, wie Reinigungsgeräte, die man teilt oder leiht.

Gemeinsame, wechselseitige Dienstleistungen

Auch Dienstleistungen eignen sich zum Teilen, wie sich gegenseitig die Haare zu schneiden, um bei einem gängigen Beispiel zu bleiben. Aber es gibt noch Raum für weitere Gemeinsamkeiten. Warum nicht gelegentlich für andere kochen und dann reihum selbst wieder zum Essen eingeladen werden. Oder auch gemeinsam Fernsehen, wenn man das will.

Ein schönes Beispiel für generations- und auch kulturübergreifende, wechselseitige Hilfe sind übrigens Gärten, z.B. die im deutschen Sprachraum bekannten Schrebergärten. Hier ergänzen sich die Erfahrung der Alten mit der Kraft der Jugend. Man trifft sich regelmäßig und wohnt meist in der Nähe, alles optimale Voraussetzungen für gut funktionierende Soziale Netze.

Ich kann diese Diskussion hier abkürzen, auf anderen Seiten von mir findet man genügend weitere Beispiel dazu.

Gemeinsame Interessen und Weiterbildung

Auch unter Seniorinnen und Senioren sind gemeinsame Interessen ein gutes Bindeglied. Die m.M. beste Art seelenverwandte Menschen zu treffen ist die Weiterbildung. Im Gegensatz zu anderen Hobbys trifft man bei Weiterbildungsveranstaltungen aktive und interessierte Menschen, die meist dann auch offener für Kontakte außerhalb der Kurse, Seminare etc. sind. Ein großer Vorteil ist, dass man sich normalerweise mehrmals trifft und so leichter sondieren kann, ob man Kontakt haben will.

Gemeinsame Aktivitäten und Hobbys

Gemeinsame Aktivitäten, wie Unterhaltung, oder gemeinsame Hobbys wie Reisen können ebenfalls Kontakte erleichtern. Allerdings nur, wenn man sich als einzelner auch einbringen kann und überhaupt registriert wird. Ansonsten wird es eher schwer sein, besonders wenn man nicht sehr kontaktfreudig ist, diese Gelegenheiten auch zu nutzen.


Elektronische Netzwerke

Im Prinzip erlauben sie beliebig viele und auch gute Kontakte, aber in der Praxis treten dann bekanntermaßen viele Schwierigkeiten auf. Ich nenne hier nur wenige Beispiele, aus ganz verschiedenen Epochen der Elektronik.

Wer erinnert sich noch an die früher vielgepriesenen Telefonketten für Senioren?  Sie funktionieren auch im Seniorenalltag nur höchst selten. Meist werden nur die ersten Personen von der Liste angerufen. Sobald zwischendurch ein Teilnehmer nicht zu erreichen ist, bricht die Kette auch schon wieder zusammen. Mit moderner Technik kann man hier vielleicht Verbesserungen anbringen, aber das Grundproblem bleibt erhalten: Wer nicht gleich erreicht werden kann, aus welchen Gründen auch immer, bleibt außen vor.

Viel effektiver ist das gemeinsame Treffen an einem realen oder virtuellen Ort. Dort kann jeder überprüfen, wer fehlt und es ist auch leichter, alle gleichzeitig und gemeinsam zu informieren. In der Tat sind diese (meist wöchentlichen oder sogar täglichen Treffen) eine optimale Möglichkeit befriedigende Kontakte zu pflegen, vom Austausch der Befindlichkeiten, zum gemeinsamen Lernen, für die Absprache gemeinsamer Aktivitäten bis zur vielleicht notwendigen Hilfe.

Im Prinzip können nun auch elektronische soziale Netzwerke, zum Beispiel E-Mail, Facebook, Twitter oder Google+ diese Funktion erfüllen. Sie funktionieren aber auch nur beschränkt. Erstens sind nicht genügend Senioren und vor allem auch Seniorinnen im Netz und zweitens sind die Computerfähigkeiten zu limitiert, um zuverlässige Kommunikationskanäle aufrecht zu erhalten.

In Deutschland kommt noch dazu, dass Elektronik schon von vornherein höchst verdächtig ist und man zwar stundenlang über alle potenziellen Nachteile labern kann, aber kaum jemand darüber nachdenkt, wie man sie zum Nutzen der Menschen einsetzt. Kein Wunder, dass wir zuwenig Fachleute für diese Schlüsseltechnologien haben. Diese ständigen, populistischen Datenschutzdebatten werden uns langfristig unendlich schaden, weil wir verlernen oder gar nicht zu verstehen beginnen, wie man neue Medien sinnvoll einsetzen kann.


Integration in Soziale Netze

Wie kann man nun Seniorinnen und Senioren besser in Soziale Netzwerke integrieren. Und warum soll man dies überhaupt? Ich teile mal unsere Seniorenpopulation in vier Gruppen ein.

Soziale Kontakte

Interessiert

ja nein
Fähig ja Integriert (1) Selbstisoliert (3)
nein Unglücklich (2) Isoliert (4)

Die Gruppe (1) kann alle vorhandenen Möglichkeiten nutzen und wird dabei auch recht zufrieden sein. Sie wird keine Hilfe brauchen, höchstens, dass man sie unterstützt, was Neues auszuprobieren und ihnen viel Raum gibt, andere zu motivieren, die im Schließen sozialer Kontakte nicht so begabt oder glücklich sind wie sie.

Meiner persönlichen Erfahrung nach ist diese Gruppe zwar nicht groß, aber  sie ist in der Öffentlichkeit präsent, weil sie aktiv ist. Bei alten Menschen sind hier die Frauen massiv in der Überzahl, sie sind nicht nur mehr, sondern wesentlich aktiver!

Unbedingt Anleitung und Hilfe wird die Gruppe (2) brauchen, Menschen die an sozialen Kontakten interessiert sind, aber sich vielleicht nicht trauen oder andere Einschränkungen haben, die sie von sozialen Netzen ausschließen. Sie sind meiner Meinung nach eine große Gruppe, aber sie fallen kaum auf.

Warum soll man nun Menschen integrieren, die daran gar kein Interesse haben, entweder weil sie dazu nicht fähig sind, wie Gruppe (4), oder weil sie ihre sozialen Fähigkeiten nicht (mehr) nutzen wollen, wie Gruppe (3)? Die Antwort ist einfach, sie verursachen der Gesellschaft Kosten, weil sie entweder ihre Möglichkeiten nicht mehr einbringen (Gruppe 3) oder weil sie auf dem sicheren Weg zu Krankheiten sind (Gruppe 4). Es ist also für eine leistungsfähige und gesunde Gesellschaft durchaus angebracht, zumindest den Versuch zu wagen, auch sie zu integrieren.

Ich kenne keine Statistiken zu meinen 4 Quadranten, aber ich schätze mal, nur 10 bis max. 30 Prozent sind in Gruppe (1). Und ich denke, ich liege mit meiner Schätzung auf der sicheren Seite, wenn ich behaupte, mehr als die Hälfte der Seniorenpopulation (die nicht in Altersheimen lebt) braucht etwas Unterstützung, sich in soziale Netze zu integrieren! Hierbei sind nicht nur Singles gemeint, auch alte Paare haben ähnliche Probleme. Sie haben zwar einander, aber können dafür als Paar stark isoliert sein.


Integration als allgemeine und spezielle Aufgabe

Wann immer wir eine Aufgabe der Gesellschaft als Ganzes zuweisen, dann wird das nicht gut genug funktionieren. Nehmen wir zum Beispiel die Sauberkeit auf öffentlichen Plätzen. In kleinen Gemeinden, wo man einander kennt, kann dies prima klappen, aber jeder der in Städten lebt, weiß, dass es ohne eigenes Reinigungspersonal nicht klappt, selbst im Schwabenland nicht, wo man mit der "Kehrwoche" institutionell versucht hat, die Verantwortung für die Allgemeinheit zu definieren.

Es ist nicht immer nur Egoismus oder Faulheit, wenn eine allgemeine Aufgabe nicht funktioniert. Ein sehr wichtiger Grund ist mangelndes Wissen oder präziser gesagt: fehlende Ausbildung. In Deutschland ist für dieses Wissensgebiet die Altenarbeit oder Seniorenarbeit zuständig, eine Spezialform der Sozialen Arbeit für Alte. (Damit meine Leser nicht verwirrt werden, auf dieser Homepage ist unter Seniorenarbeit was anderes gemeint, nämlich Arbeitsplätze, die auch Senioren noch ausfüllen können).

Seniorensozialarbeiter oder Seniorensozialpädagogen wären also der Schlüssel zu diesem Wissen. Nun, beide Begriffe kennt der deutsche Sprachraum im Jahre 2010 noch nicht, wie man sich durch eine Google Abfrage leicht vergewissern kann. Also über diese Schiene ist wenig zu erreichen.

Nun hat man eine andere Form der Einflussnahme in Form der Seniorenräte. Sie beraten die entsprechenden politischen Gremien (auf Stadt-, Kreis- oder Landesebene), damit die Interessen von Senioren gewahrt bleiben. Je nach Engagement der überwiegend ehrenamtlichen Mitglieder, die fast ausnahmslos selbst schon Senioren sind, mit wechselndem Erfolg, insgesamt aber als eine sehr positive Einrichtung.

Was mir aber vorschwebt ist eine ganz andere Form, nämlich eine kommerzielle Tätigkeit für Menschen mittleren Alters, also noch berufstätig, leistungsfähig, die mit ihrem Wissen versucht, die Gesellschaft insgesamt seniorenfreundlicher zu machen. Damit hätte man das Bindeglied zwischen der allgemeinen und speziellen Aufgabe. Also, um bei existierenden Begriffen zu bleiben, jemand der als Sozialarbeiter nicht nur direkt mit Senioren arbeitet, sondern auch mit politischen Gremien und auch mit Firmen, um das Problem der Einsamkeit erfolgreich zu attackieren.


Konkrete Beispiele

Zu den einfachsten Hilfsmitteln, um Soziale Netze zu knüpfen, gehört eine Sitzbank. Überall, wo man warten muss, es eine schöne Aussicht gibt, wo man lesen kann, sollte eine stehen. Sie ermuntert zur Kommunikation und ist preiswert. Ich finde deshalb, dass zum Test, wie seniorenfreundlich eine Stadt ist, unbedingt gehört, ob sie genügend passende Sitzbänke anbietet.

Auch Warteschlangen gehören in anderen Kulturkreisen zu Katalysatoren für Kommunikation, zum Beispiel in Paris oder London vor den Kinos. Die Schwaben lieben Protestaktionen, das Thema ist austauschbar, Hauptsache, man ist gemeinsam dagegen.

Eine schöne Einrichtung war früher auf den Dörfern das Treffen unter der Dorflinde. Es gibt sie bei uns in Tübingen in moderner Form als Gutenachtgeschichte. An Sommerabenden werden - von der lokalen Zeitung und den Buchhändlern gesponsert - an einem lauschigen Platz Geschichten vorgelesen.

Als langjähriges Mitglied des Sozialverbandes VDK habe ich viele Veranstaltungen erlebt, die ziemlich gut das Problem angesprochen haben. Gemeinsame Reisen waren dabei, aber auch Informationsveranstaltungen, die ausgesprochen nützlich waren und den Senioren viel bedeutet haben. Gesprächen wurde viel Raum gegeben und bei Problemen hat man auch konkrete Hilfe bekommen. Der VdK hat durch seine schiere Größe (1,5 Mio Mitglieder) eine gewichtige Stimme in der Politik. Aber er bietet als gemeinnütziger Verein keine Möglichkeit mit seinem Wissen um die Senioren auch eine Basis für kommerzielle Angebote zu bieten.

Alle Kirchen und alle politischen Parteien haben Einrichtungen, die sich auch um die Senioren kümmern. Stehen dort immer auch immer soziale Gründe im Prospekt, im Kern sind es eigene Interessen. Teilt man diese Interessen, dann wird man sich dort wohlfühlen, andere aber bleiben ihnen besser fern.

Da sind die halb-kommerziellen Angebote transparenter. Volkshochschulen, Seniorenuniversitäten, Literaturkreise, Seniorenchöre, aber auch Seniorentanzangebote sind gute Beispiele, wie man Senioren aktiviert und in soziale Netze integriert. Ihr Problem ist leider aber oft, das man der Kommunikation und dem Netzwerk - Gedanken zu wenig Raum gibt. Wie oft habe ich erlebt, das sich selbst Menschen, die langjährig zusammen sich erfreuen, nichts voneinander wissen. Meine Testfragen dazu sind: Fällt es auf, wenn jemand nicht erscheint? Fragt man nach, was mit ihm los ist?

Gut sind Veranstaltungen, wo sich die Menschen durchmischen und eventuell auch zur Kommunikation gezwungen werden. Beim Speeddating erfüllt man beide Anforderungen. Es funktioniert nicht nur zur Partner- oder Jobsuche, sondern vielleicht auch als Spiel zum Kennenlernen. Auch Namensschilder, leicht mit Filzstift und Klebeband herzustellen, fördern die Kommunikation.

Zu den wenigen, langfristig erfolgreichen Seniorenportalen in Deutschland gehört feierabend.de. Zwei Dinge hat man dort in meinen Augen richtig gemacht: Erstens war es gleich von Anfang an kommerziell ausgerichtet (was für Qualität und Kontinuität gesorgt hat) und zweitens hat man schnell erkannt, dass man die Seniorinnen und Senioren regional persönlich bekannt machen muss.

Zu den kommerziellen Angeboten gehören auch Kaffeehäuser und andere Treffpunkte, wie Mittagstische, wo man sich regelmäßig treffen und austauschen kann. Auch hier ist das Problem oft die Anonymität. Kellner wissen das, indem sie ihren Stammkunden Spitznamen geben, die mit ihren Bestellungen zusammenhängen, wie "Schorle rot sauer" (so wurde anfangs ich genannt). Wirte wäre gut beraten, diese Barriere zu durchbrechen, nach dem Namen zu fragen und dann die Gäste auch mit Namen anzusprechen.

Kriterien für erfolgreiche Jour Fixe Konzepte

Gleiche Zeit, ähnliche Leute, bekannter Ort, überschaubare Anzahl

Kommunikation ist nicht das primäre Ziel, aber sie wird bestens unterstützt

Es lohnt sich immer zu kommen, auch wenn man der Einzige ist

Kein Verein, keine Satzung, keine Gebühren

Der öffentliche Raum ist vorzuziehen: ohne Arbeit, ohne Vorbereitung, ohne Verpflichtungen, Teilnahme nach Belieben (Kommen und Gehen wann man will)

Integration neuer Teilnehmer ist einfach und wird auch gefördert

Hilfreich sind ein oder zwei "Soziale Helfer", die über notwendige Änderungen informieren

Standardthemen: Was gibt es Neues, was könnten wir gemeinsam tun?

Beispiele: Markttag, Stammtisch, Kaffeehaus, Wanderungen, Salon, Google Hangouts

Potenzielle Probleme

Treffpunkt wird aufgelöst oder wird unattraktiv

Fanatische oder zu empfindliche Teilnehmer

Indiskretion und schlechtes Benehmen von Teilnehmern

Struktur verfestigt sich zu sehr, es kommen keine neuen Leute nach

Missbrauch für politische, religiöse oder kommerzielle Interessen

Viele Kurse, wo man sich regelmäßig trifft (z.B. von der Volkshochschule) haben lange Ferienzeiten. Sie werden oft als nicht angenehm empfunden und die sozialen Kontakte werden zu lange vermisst. Eine gute Lösung ist dann ein "Jour Fixe" zur gleichen Uhrzeit in einer nahen Kneipe oder einem Kaffeehaus, wo man sich ungezwungen treffen kann, wenn man will. Gute Kursleiter diskutieren dies in den letzten regulären Veranstaltungen und bieten so einsamen Menschen eine Möglichkeit an, regelmäßige Kontakte zu haben.

Fachliche Leitung durch Soziale Helfer unterstützen

In vielen Gruppen, an denen ich teilnahm, haben sich Menschen bewährt, die die fachliche Leitung in sozialen Belangen unterstützt haben. In Firmen oder anderen Organisationen würde man sie als Sekretäre oder Sekretärinnen, vielleicht auch als Assistenten bezeichnen, ich nenne sie hier einfach Soziale Helfer.

Sie sorgen dafür, dass sich die Menschen untereinander kennen, sie führen die Adressliste, sie bemerken, wenn jemand fehlt und rufen an, ob Hilfe benötigt wird. Möglicherweise erinnern an sie an Geburtstage oder sorgen dafür, dass die Leiterin, der Leiter gelegentlich ein Geschenk bekommt, kurz gesagt, sie fördern das Soziale Klima in einem sozialen Netzwerk.

Ohne ihre Unterstützung ginge es vielleicht auch, aber gerade bei Senioren ist die soziale Komponente so wichtig, dass die Leitung dazu Unterstützung braucht. Alleine ist sie sonst leicht überfordert.

Die Anforderungen an diese sozialen Helfer sind vielfältig: Sie müssen Zeit haben, diskret sein, gerne telefonieren oder auch Krankenbesuche machen, gute Computerkenntnisse haben (damit man E-Mail nutzen kann), eventuell auch fotografieren können, denn Bilder sind für ein Gemeinschaftsgefühl wichtig.

Dabei muss ihnen aber immer bewusst sein, dass sie in der zweiten Reihe agieren, denn den Chef, die Chefin, kann es nur einmal geben. Wie bei anderen Seniorenaufgaben auch, sollte diese Position von mindestens zwei Menschen ausgefüllt sein, damit beim Ausfall von einem der andere einspringen kann.


Wie erreicht man Senioren, die Unterstützung brauchen?

Der Schlüssel dazu sind primär die "lokalen passiven Medien" oder "Pushmedien", wie man sie auch nennt, also die Tageszeitung, Anzeigenblätter, das lokale Radio, das lokale Fernsehen. Sie erreichen relativ gezielt viele Menschen, die einsam sind. Es ist allerdings nicht einfach für sie, diese Menschen dann auch wirklich zu bewegen. Motivation über Aufforderungen funktionieren schlecht. "Pullmedien", wie das Internet, wo man zuerst selbst aktiv werden ums, um etwas zu erfahren, eignen sich nur für die Gruppe (1) zum sozialisieren, aber sie brauchen ja keine Unterstützung.

Eine weiterer, viel effektiverer Kommunikationskanal wären Nachbarn und Menschen, die berufsmäßig täglich Wohnungen aufsuchen müssen, wie Postboten. Leider erlauben unsere deutschen Vorstellungen nicht, auf dieses Wissen zurückzugreifen. Wenn ich mir den peinlichen Medienzirkus anschaue, der im Sommer 2010 in Deutschland um Google Street View abläuft, dann kann man diese Möglichkeiten (der Location Based Services, ortsbezogenen Dienstleistungen) leider abschreiben. Dabei würden gerade sie für Senioren eine ideale Basis darstellen, denn für sie ist lokale Nähe u.U. lebenswichtig.

Eine gute Möglichkeit in meinem Umfeld auf Seniorenangebote aufmerksam zu machen, sind Märkte aller Art, vor allem Wochenmärkte und Flohmärkte, aber auch Weihnachtsmärkte oder andere Events, wo lokale Vereine sich präsentieren. Sie haben einen hohen Anteil an Senioren, die auch offen sind, das Gespräch zu suchen.

Ein anderer Ort, wo Senioren sich häufig treffen sind Begegnungsstätten. Aber ihre Aushänge scheint niemand zu lesen, wie ich leider aus eigener Erfahrung weiß. Wo kein Gespräch stattfindet, gibt es keinen Überzeugungserfolg!

Total in Verruf geraten sind Verkaufsveranstaltungen, vor allem in Kombination mit Tagesreisen für Senioren. Leider zum Teil zu Unrecht, denn es gibt einige Produkte, die Senioren ganz dringend brauchen würden, aber die kaum erhältlich sind. Aber dieser Zug ist durch die schwarzen Schafe dieser Branche abgefahren, oder sollte ich sagen dieser "Bus" ist abgefahren? Als Sozialisierungsmedium taugen sie nicht mehr.

Alte Menschen trifft man auch vorrangig in Arztpraxen, in manchen Kliniken, in Bädern, in Parks (und überall "wo es Bänke gibt und was zum Schauen"). Nicht nur in Mallorca kann man den Park nützen, um Senioren zu Bewegung zu animieren. Da dies ihnen guttut, kommen sie auch gerne wieder, ein wichtiger Faktor, um Bekanntschaften zu schließen.

Extrem wichtig ist der Zeitpunkt für Seniorenangebote. Am besten tagsüber, ich bevorzuge sogar den Vormittag. Ganz wichtig ist der Sonntagvormittag, das sind viele Menschen am einsamsten, weil dann auch die Geschäfte zu sind und selbst belebte Städte ausgestorben erscheinen. Angebote am Abend sind für viel Alte nicht attraktiv, da bleiben sie aus verschiedenen Gründen lieber im sicheren Zuhause.

Nach all dem was ich mir zu diesem Bereich vorstelle, glaube ich, dass eine neue Bezeichnung für ein noch nicht etabliertes Berufsbild notwendig ist: Ich nenne sie hier mal "Seniorensozialmanager", quasi als die nächste und qualifizierte Stufe von Sozialarbeitern oder Sozialpädagogen. Salopp gesagt sind das Menschen, die ("meine") Vorstellungen von Seniorenfreundlichkeit im großen Stil in die Praxis umsetzen.

Aktuell benutzt werden für ähnliche Aufgaben die Bezeichnungen Seniorenbeauftragte, Sozial-Services, Sozial-  oder Seniorenagenturen, Lotsen, Bulter, Seniorenunterhalter, Seniorenbegleiter oder Seniorenberater. Die Entwicklung wird zeigen, was sich wirklich durchsetzt und welche Berufe man bezahlen können wird. Denn Berufe, von denen man nicht leben kann, sind keine. In Österreich hat der Akademische Grad eines Magisters "Soziale Arbeit" beste Chancen für eine breite Akzeptanz.


Eigenschaften Sozialer Senioren Netzwerke

Generell bestehen Soziale Netzwerke aus Individuen und ihren Beziehungen oder Verbindungen. Im Seniorenumfeld sind die Individuen Menschen, aber auch Einrichtungen, wo sich Menschen treffen und Beziehungen sind Kontakte, entweder von Angesicht zu Angesicht oder aber auch über Medien, wie Telefon oder Internet. Beziehungen können aber auch Hilfeleistungen sein oder Abhängigkeiten.

Man spricht erst dann von "Netzen" (mit der gleichen Bedeutung wie "Netzwerke") wenn der Umfang ein bestimmte Größe erreicht hat. Der Umfang eines Netzes ist ist die Anzahl der Individuen, die es verbindet. Ich kenne keine klare Definition was die minimale Anzahl ist, für mich beginnt ein Netzwerk mit drei Personen.

Je nach Qualität der Beziehungen können sie aktiv oder auch latent sein. Eine Schulklasse, die sich im Laufe eines Lebens immer wieder bei Klassentreffen sieht, kann aktive Kontakte haben, wenn man sich auch außerhalb der Treffen regelmäßig sieht. Aber es können Kontakte auch schlummern. Dann kennt man zwar einander, aber die Beziehung ruht vorübergehend, ist latent (d.h. passiv, verborgen). Das Interessante an latenten Beziehungen ist, das sie leicht wieder aktiviert werden können.

Unter Dichte eines Netzwerkes versteht man die Anzahl der Verbindungen für ein Individuum. In einer streng hierarchischen Struktur ist die Dichte eher klein. Dort jedes Individuum hat nur Kontakt mit den Individuen eine Stufe tiefer und dem jeweiligen direkten Übergeordneten. In einem dichten Netzwerk kann die Dichte sehr viel größer werden, wenn jeder mit jedem anderen Beziehungen haben kann.

In jedem Netz gibt es zentrale und periphäre Teilnehmer. Will man Daten über ein Soziales Netz bekommen, dann sind die zentralen Teilnehmer die wichtigen Schaltstellen. Sie zu identifizieren kann schwierig sein, aber man bekommt eine gute Näherung, wenn man zufällig fragt, welche Freunde mehr Kontakte haben und diese dann befragt.

Die Dichte hat nun große Bedeutung für die Robustheit eines Netzes. Robust ist ein Netz, wenn es auch funktioniert, wenn einzelne Individuen ausfallen. Eine Telefonkette ist nicht robust, denn fällt einer aus, wird sie unterbrochen. Ein E-Mail Verteiler ist dagegen robust, auch wenn eine Adresse ungültig sein sollte, bekommen doch alle anderen die E-Mail.

Geht ein Kontakt über mehrere Individuen, dann ist für die Robustheit wichtig, das es redundante (das heißt mehrere, eigentlich nicht notwendige) Wege gibt. Je dichter ein Netz ist, desto mehr redundante Wege wird es geben und desto robuster wird es auch aus diesem Grund sein.

Wer nun Mitglied in einer Organisation mit Millionen von Mitgliedern ist, wie bei Google+ oder Facebook, wird nicht mit allen Kontakt haben können oder auch wollen. Die Individuen, mit denen man tatsächlich Beziehungen hat, nenne ich hier (in Anlehnung an Facebook) Freunde oder wem dies zu intim ist Ansprechpartner oder persönliche Kontakte.

Die Qualität der Ansprechpartner kann nun sehr verschieden sein. Menschen, die ich meinem persönlichen Adressverzeichnis im Handy habe, werden eine andere Qualität haben, als Menschen, die zwar vom Grüßen kenne, aber deren Nummer ich erst im Telefonbuch nachschlagen müsste, um sie anzurufen. Auch die Frequenz der Kontakte spielt eine große Rolle: Wen ich täglich sehe, wird eine andere Position für mich haben, als jemand, den ich nur alle 5 Jahre beim Abitursjubiläum treffe.

Fragt man nach dem Nutzen oder dem Sinn von Netzwerken, dann helfen sie uns in fast allen Lebensbereichen das Leben besser zu meistern. Deshalb leben wir als Menschen auch in Familien und in Städten und nicht alle als Eremiten. Netzwerke bieten z.B. Schutz bei Gefahren, sie informieren und motivieren uns, sie erlauben Austausch und Handel, sie fördern das Überleben unserer Nachkommen, sie erlauben uns Macht auszuüben, sie bieten uns Anerkennung, sie unterstützen uns bei Krankheiten und sie sollen uns auch im Alter helfen.


Aus der Innensicht eines Seniors einer Seniorin sieht das alles nicht so abstrakt aus. Die wichtigsten Kontakte werden in der Familie sein, dann kommen wahrscheinlich (richtige) Freunde, wobei die örtlich nahen wichtiger sein werden, als die weit entfernten, dann die Bekannten in der Nachbarschaft und die Mitglieder oder Mitstreiter in den diversen Vereinen, Klubs, Gruppen, Kirchen oder Parteien, denen man angehört.

Typisch für alte Menschen ist, dass sie einen potenziell sehr großen Bekanntenkreis haben, denn in einem langen Leben haben sie viele Begegnungen gehabt, dass sie aber auch sehr wählerisch geworden sind und bewusst Kontakte, die nachteilhaft für sie waren, meiden. Wie heißt es so schön: "Je älter ich werde, desto länger wird die Liste der Typen, mit denen ich nichts mehr zu tun haben will."

Senioren pflegen also vorrangig Kontakte, die ihnen einen Nutzen bringen. Dies hat wenig mit Egoismus zu tun, sondern ist primär eine Reaktion auf die immer schwächer werdenden Ressourcen. Die Pflege von Kontakten ist zeitaufwändig, sie kann auch Geld kosten, in jedem Fall kostet sie Kraft, denn es wir dabei ja nicht nur "genommen" sondern auch "gegeben". Alle diese Ressourcen sind limitiert und sie werden im Laufe der Zeit weniger.

Wer also Netze für Senioren aufbauen will, muss darauf achten, dass die Pflege der Beziehungen wenig Aufwand braucht, also einfach und schnell möglich ist. Google+ war in dieser Beziehung gar nicht schlecht. Dort kann man ohne großen Aufwand (man muss sich bloß einloggen) sehen, was die anderen machen, sobald sie Lebenszeichen von sich geben. Aber leider hat es sich nicht durchgesetzt. In unsere Familie verwenden wir seit 2016 WhatsApp.

Ebenso typisch speziell für Seniorinnen ist, dass die Kontakte zu Männern durch deren Tod früh abgebrochen werden, Frauen leben bei uns doch signifikant länger. Auch Gleichaltrige sterben früh weg, wenn man das Glück hat gesund zu sein. Wer also nur ein Netzwerk mit Gleichaltrigen pflegt, wird schnell vereinsamen.

Was den Sinn von Netzwerken für Senioren betrifft, dann reduzieren sich einige Aspekte, die früher wichtig waren, wie Hilfe bei der Kindererziehung, aber auch Sex oder Machtfragen. Übrig bleiben aber weiterhin für viele Hilfe und Beratung bei finanziellen Entscheidungen, Unterstützung bei Krankheiten oder Hilfe bei Arbeiten, die man (alleine) nicht mehr machen kann. Neben diesen praktischen Gründen aber werden Gespräche, Spiele, Abwechslung und Unterhaltung immer wichtiger. Auch für sie braucht man Kontakte.

Nicht alle Bedürfnisse kann man rational begründen, vieles wollen und brauchen wir einfach, weil wir von Natur aus soziale Wesen sind. Bewegung und Weiterbildung zum Beispiel, zwei entscheidende Faktoren für Lebensqualität und Lebensdauer sind für uns einfacher durchzuführen, wenn wir eine passende und unterstützende Gruppe dazu haben. Viele Alte aber wollen auch ihren Beitrag zur Gesellschaft in Form von Wissen und Erfahrung leisten und nicht nur unbedingt auf die Enkelkinder aufpassen oder einen Hund ausführen. Und zur Verarbeitung gemeinsam erlebter Geschichte gibt es nichts besseres, als mit anderen darüber zu reden und sich zu erinnern.

Wegen der häufigen Schwerhörigkeit kann es für viele Senioren - trotz Hörgerät - schwer werden, in einer großen Gruppe an einer Diskussion teilzunehmen. Hier muss man dann auf kleinere Gruppen ausweichen oder sich dann gar auf 1 zu 1 Gespräche, am besten von Angesicht zu Angesicht und in einer ruhigen Umgebung, zurückziehen. Für diese Menschen sind dann Computer-Netzwerke eine hilfreiche Alternative.

Kritische Faktoren für Seniorinnen und Senioren sind Diskretion und Sicherheit. Beide sind notwendig, soll offen kommuniziert werden können. Diskretion bedeutet, dass persönliches nicht weitergetragen wird, Sicherheit, dass man beim Benutzen keinen Schaden erleidet. Nicht nur für elektronische soziale Netze sind sie ein Problem, die meisten Enttäuschungen im persönlichen Bereich kommen ebenfalls dadurch zustande.

Jedes Netzwerk hat (geschriebene oder ungeschriebene) Regeln, an die man sich halten muss, will man nicht ausgeschlossen werden. Bei elektronischen Netzwerken sind diese wegen der vielen Möglichkeiten von vornherein gar nicht klar, aber sie bilden sich im Laufe der Zeit heraus. Es ist wichtig, dass alle daran mitarbeiten, denn nur so bleibt der Nutzen für alle erhalten. Es ist hilfreich, wenn die Regeln als "Etiquette" aufgeschrieben, aber auch, dass sie ständig an neue Gegebenheiten angepasst werden. Netzwerke sind eben lebendige Systeme!

Deutsche Senioren schätzen es, wenn sie die Wahl haben, anonym bleiben zu können, zumindest gelegentlich. Dies ist in der freien Welt eher die Ausnahme und immer noch eine spürbare Nachwirkung der Nazi- und Stasidiktaturen. Im freien Ausland ist dieser für ein freies Land schon etwas paranoide Datenschutz eher unverständlich und er ist auch hinderlich, leicht persönliche Kontakte zu knüpfen. Aber so ist und man muss halt damit leben.

Wir haben das Glück einen relativ großen deutschen Sprachraum zu haben. Nicht nur in Deutschland werden wir verstanden, sondern auch in Österreich, Teilen der Schweiz und überall dort, wo Auslandsdeutsche sind. Und wir versuchen auch nicht unsere Dialekte wieder zu Schriftsprachen zu machen, ein großer Vorteil für die Kommunikation. Leider gibt es noch nicht allzuviele Senioren, die Zugriff auf die anderen großen Sprachräumen haben, allen voran zu Englisch, das sich als globale Verkehrssprache etablieren wird, oder zu Spanisch, Französisch, Portugiesisch oder gar Chinesisch.

Generell sind Netzwerke effektiver, wenn sie nicht nur viele, sondern auch verschiedene Individuen haben. Senioren aber fühlen sich in Teilnetzen wohler, die eine ähnliche religiöse oder politische Weltanschauungen haben. Viele sind einfach müde geworden, sich durch Diskussionen, Proteste, Auseinandersetzungen oder gar Streitereien zu quälen. Und so lesen sie auch gerne ihre favorisierte Zeitung, die genau das schreibt, was sie denken und für richtig halten.

Wichtig für Senioren ist auch die Möglichkeit sich aus dem Netzwerk für beschränkte Zeit abzumelden, um damit nach der Rückkehr vom langen Urlaub nicht einen Haufen Post vorzufinden, der nicht mehr aktuell ist.

Ebenfalls wichtig ist die Möglichkeit, einen "Notschrei oder Hilfeschrei" (SOS) absetzen zu können, wenn wirklich was dramatisches, wie ein Sturz, passiert!

Wie bei Jugendlichen auch, soll das Netzwerk nicht nur das Notwendige im Alltag bringen, sondern wichtig sind Spiel, Spaß, Spannung und es ist gut, wenn auch Anerkennung über das Netzwerk gewonnen wird.

Jedes Netzwerk braucht zu seinem Unterhalt einen Träger und es ist für Senioren von Riesenvorteil, wenn der Träger in der Lage ist, die Kosten niedrig zu halten. Darum sind niedrige Post-, Telefon-, Internet-, Rundfunk- und Fernsehgebühren, aber auch Mitgliedsgebühren entscheidende Faktoren für die Seniorenfreundlichkeit einer Gesellschaft. Hier sei nebenbei bemerkt, dass die für 2013 geplante neue GEZ Gebührenregelung für Senioren ungünstig sein wird. Mein Vorschlag wären 6 Euro pro Monat für den Seniorenhaushalt!

Geteilter Meinung bin ich mit dem Trend, Senioren ausschließlich durch ehrenamtlichen Services zu bedienen. Man sollte dabei immer einen möglichen Qualitätsverlust durch unausgebildete (oder nennen wir es ruhig inkompetente) Menschen im Auge haben, die zwar guten Willens sind, aber keine gute Arbeit leisten oder ausreichende Verfügbarkeit bieten. Bewährt hat sich in meinem Umfeld die Kombination Fachkräfte (für die kritischen) mit ehrenamtlicher Unterstützung (für die unkritischen Aufgaben).

Da elektronische Soziale Netze nichts anderes als ein Abbild realer Kontakte sind, erwarte ich dass auch sie das Konzept von "Grabsteinen oder Gedenktafeln" einführen werden, die es ermöglichen, weiterhin an vergangene Kontakte, die durch den Tod beendet wurden, zu denken. Wir wollen eben nicht nur Überleben und das Leben genießen, sondern wir haben auch das Bedürfnis Weiterleben zu können.


Wie können Senioren selbst die Integration in Soziale Netze unterstützen?

Zu den Tipps, die ich dafür für den Alltag habe (Freunde umarmen, leicht zum "DU" wechseln, transparenter Tagesablauf - mit Stammlokal - und Grüßen) will ich noch einige generelle dazufügen.

Das wichtigste scheint mir zu sein, regelmäßig aus dem Haus zu gehen. Und zwar wirklich zu Fuß (und nicht mit dem Auto) oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, denn nur damit steht auch Zeit zur Verfügung, auf dem Weg ein längeres Schwätzchen zu halten.

Die Wohnung für Besucher offen zu halten, wurde schon gleich zu Beginn betont. Sehr hilfreich sind auch spezielle Visitenkarten für Senioren. Auf ihnen sollten nicht nur deren persönliche Erreichbarkeit, sondern immer auch eine oder zwei Notfallkontakte angegeben sein, wie Telefonnummern von Familienangehörigen, Nachbarn oder Freunden.

Die Mitgliedschaft in einer Gruppe, die sich regelmäßig trifft, ist extrem hilfreich für den Ausdehnung der Kontakte zu weiteren Gruppen. Kluge Senioren, nehmen dorthin verstärkt Menschen mit und führen sie dann in die neuen Gruppen ein. Es sollte als soziale Pflicht verstanden werden, bekannte Menschen anzusprechen, ob sie nicht "mitgehen" wollen. Und zwar nicht nur einmal, oft braucht es länger, bis sich jemand aufrappelt, es doch einmal zu versuchen.

Die Nutzung der lokalen Medien wurde schon erwähnt. Zu den wichtigsten gemeinsamen Aktivitäten zähle ich immer noch das gemeinsame Essen, weil es lange Zeit dauert und so auch die Gelegenheit gestattet, Dinge zu erzählen, die man unter Zeitdruck hintan stellen würde.

Die Teilnahme an elektronischen, sozialen Netzwerken, macht nur Sinn, wenn man genügend Ansprechpartner dort findet. Nach meiner persönlichen Erfahrung (in 2013) sind es in Deutschland zu wenige. Die große Menge sind Menschen, Firmen oder andere Organisationen, die mich zwar über ihre Aktivitäten informieren, aber dies nur mit kommerziellem Hintergrund. Das heißt, sie wollen mich als Kunden oder Besucher gewinnen. Dies hilft zwar auch zu Kontakten, aber wahrscheinlich reicht dies den meisten Einsamen nicht zu ihrem Glück.

Viele Veranstaltungen, die Seniorinnen und Senioren besuchen, mindern kaum die Einsamkeit. Wer ins Kino geht, ist dort zwar unter Menschen, aber allein. Hilfreich sind nur jene Events, wo sich die Menschen immer wieder sehen, wo man eventuell schon gemeinsam hingeht. Wer doch alleine hingeht, sollte prinzipiell zu früh kommen (die Wartezeit kann man für Gespräche nützen) und auch Zeit haben, nach der Veranstaltung darüber zu reden.

Ganz zum Schluss einige wichtige Aspekte, die zwar selbstverständlich sind, aber dann im Alter doch zum Problem werden können. In eine Gemeinschaft wird nur aufgenommen, wer gepflegt und freundlich ist und wer die Anliegen der Gemeinschaft unterstützt, das heißt zumindest ihre Regeln einhält, aber noch besser die Gemeinschaft fördert! Ebenso erwartet eine Gemeinschaft Toleranz, Zurückhaltung bei Kritik und Offenheit. Wer immer nur nörgelt, alles besser weiß, andere bloßstellt und stets opponiert, immer nur Perfektion fordert und sofort beleidigt ist, der verdient es vielleicht sogar, dann auch einsam zu sein. Auch wer Kontakte überfordert (die gefürchteten "Kletten"), sie nur egoistisch nutzt, sie nur auf religiöse oder politische Missionierung oder ausschließlich kommerzielle Zwecke ausrichtet, wird gemieden werden.

Zusammenfassung "Soziale Netzwerke für Senioren"

  1. Soziale Netze sind für Seniorinnen und Senioren besonders wichtig.
  2. Soziale Isolation mindert nicht nur ihre Lebensqualität, sondern verursacht auch Kosten für die Gesellschaft.
  3. Die Integration kann jeder von uns unterstützen.
  4. Soll aber unsere Gesellschaft tatsächlich "seniorenfreundlicher" werden, dann bedarf es dazu besonderer Anstrengung und eventuell sogar eines neuen Berufsbildes in der Sozialarbeit.
  5. Elektronische Soziale Netzwerke könnten für Senioren nützlich sein. Leider aber sind immer noch nicht genug gleichalte Teilnehmer dort vertreten.
  6. Senioren sollten auch selbst aktiv werden, um die Isolation zu vermeiden.

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Literatur zur Sozialen Arbeit für Senioren

Handbuch Soziale Arbeit und Alter [Broschiert] von Kirsten Aner (Herausgeber), Ute Karl (Herausgeber)

Einführung in die Soziale Altenarbeit: Theorie und Praxis   von Astrid Woog

Alter und Soziale Arbeit: Theoretische Zusammenhänge, Aufgaben- und Arbeitsfelder von Cornelia Schweppe

Soziale Arbeit für alte Menschen. Ein Handbuch für die berufliche Praxis von Christian Zippel (Hrsg.), Sybille Kraus (Hrsg.)

Lebensphase Alter: Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Alternsforschung [Broschiert] von Gertrud M. Backes (Autor), Wolfgang Clemens (Autor)

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